Christian Thiess Photography
THIESS [Fotograf]

Story-Telling

Story-Telling | Geschichten zum Erzählen

Herbstliche Einsamkeit am Berg [steirische Krakau]

Der eigentliche Plan war, in die steirische Krakau zu fahren, um die gelb-orangen Lärchenwälder zu bestaunen. Ein Hinweis aus der letztjährigen Herbst-Ausgabe von Bergwelten (Link zu Bergwelten-Online) ist mir im Gedächtnis geblieben. Ein erwandernswertes Ziel war bald ausfindig gemacht: die Wildenkar-Seen.

Blick auf den unteren und oberen Wildenkar-See; im Hintergrund der Ertrachsee

 

Route geplant, Wetter ge-checkt, Proviant vorbereitet, Rucksack kaum tragbar, meine Vorstellung von genialer Wanderung mit bunten Wäldern sitzt im Kopf. Am Sonntagmorgen komme ich nach ca. 2h15min Fahrzeit am Ertrachsee an. Koid is.

Beim Weggehen vom Parkplatz stehen auf einmal 5 Einheimische hinter meinem Auto:

Wo gehts hin?

“Morgen. Zu den Seen.

Die Ersten kommen aber scho wieder runter!

Naja, ich war noch wählen - und in Graz machen die Wahllokale halt erst um 7 auf.” antworte ich leicht verteidigend.

Blick auf den unteren Wildenkar-See

 

Ich starte - komplett motiviert. Tack, tack, tack, tack. Das Klacken der Wanderstecken auf der Schotterstrasse haben irgendwie etwas Beruhigendes. Aber auch etwas Lautes in dieser einsamen Stille. Da hörst sogar die Fische beim Luftholen.

 

Irgendwie kommt es mir aber so vor, als wird das nix mit den gelb-orangen Lärchen. Irgendwie ist da alles Grün. Halt herbstlich grün, aber grün, oder braun halt. Und nix gelb-orange. “Bitte, jetzt bin ich so weit gfahrn, und jetzt is da alles … G R Ü N? Geh bitte.” … so macht sich der Raunzer-Wiener im Kopf breit. Die Hirnwindungen ziehen sich zusammen. Der Tunnelblick mit schlechter Laune zieht auf. Was tun, um die Motivation nicht kippen zu lassen? Da fällt mir Wickie’s Spruch ein: Ich habs! … ruft eine Synapse zur anderen. Ich habe ja am Vortag beim Routen-Suchen noch einen Gipfel in der Nähe entdeckt - und ein Teil der Strecke ist sogar gleich. Und so gelingt die Positiv-Meldung ans Wiener-Hirn: “Ich panier mi jetzt a bissl her!” Gedacht - Getan. Neues Ziel: Gipfelkreuz - Anstieg 1.000hm. Das brauch ich jetzt. Die Seen werden von oben bestaunt. So siehts aus. Auf gehts.

Die Route teile ich in drei Teile:

  1. Schotterstraße - leicht

  2. Anstieg durch den Wald - treibt schon mal die Schweißperlen ins atmungsaktive Outfit

  3. Balanceakt über Geröll und abschüssige Wegelein bis zum Gipfelsieg - Geisteshaltung: “und durch”.

Blick zum Gipfel des Bauleiteck

 

Wegmarkierung inmitten einer malerischen Landschaft

Deutliche Wegmarkierungen ersparen größere Suchaktionen nach den Rot-Weiß-Roten Malereien.

 

Der Weg verlangt mir Einiges ab. Bereits im zweiten Abschnitt frage ich mich, ob ich nicht meine gesunde Jause an einem der Seen-Ufer hätte einnehmen sollen. Je weiter ich an Höhe gewinne, desto rauher wird die Luft. Ausgerüstet für einen Sommertag vermisse ich nun warmen Tee und Handschuhe. Oberhalb der Baumgrenze bläst der Wind. Richtig nämlich. Gibt an guten Kontrast zu den brennenden Wadln, und Oberschenkeln. Aber: “Dann gspürst di mal so richtig. Passt.

Geniale Aussicht wohin das Auge reicht. Unsere Natur ist halt schon was Schönes.

 
 

Je weiter ich mich dem Gipfel nähere, umso zweifelnder wird mein Blick. Es sieht fast so aus, als würde das Wetter nicht halten. Wolken rollen an. Große Wolken.

 
 
 

Es geht weiter. Ich muss zum Gipfelkreuz. Letzter Anstieg. Geschafft. Das Wetter holt mich ein. Es zieht zu. Finster wirds. Und arschkalt. Da hilft auch kein meditatives Vorstellungsvermögen, um aus kaltem Wasser heißen Tee zu machen. Wieder was gelernt.

 

Angekommen. Berg Heil.

Gipfelkreuz mit Fernblick

Gipfelkreuz mit Fernblick

Inschrift am Gipfelkreuz

Inschrift am Gipfelkreuz

Gipfelkreuz ohne Fernblick

Gipfelkreuz ohne Fernblick

 

Spannend, dass in der Jausenpause-Stunde am Gipfelkreuz das Wetter seine verschiedenen Facetten zur Schau stellt. Zwischen Weitblick und Nebelwand liegen nur mehrere Minuten. Und auch der Gipfel, auf dem ich weile, treibt die Schwaden manchmal auseinander und manchmal nicht. Wolken kommen, Wolken gehen. Ich bin wohl echt weit oben. Und der Wind bläst mir sogar die GoPro beim Timelapse-Filmen um. Das ist kein Lüfterl mehr.

 

Blick vom Gipfelkreuz nach Osten

Blick vom Gipfelkreuz nach Nord-Westen

Blick vom Gipfelkreuz nach Westen

 

Nach der Jausenpause gehts wieder abwärts. Balanceakt über den Grat, Stufensteigen über Wurzeln und Gestein im Wald, und final der Auslauf am Schotterweg. Tack, tack, tack, tack.

Ein Blick zurück zum Gipfel: schön wars. Aber heuer geh ich da nicht mehr rauf.

Blick zum Gipfel des Bauleiteck (Krakauebene)

 

Alles in allem war es eine schöne, herbstliche Wanderung mit ca 14km Länge, ca 19.600 Schritten und ca 1.000hm (Anstieg). Warum mir meine Sportuhr sagt, ich solle mich jetzt 76h erholen, weiß ich echt nicht. Wobei … erholen tut auch gut.

Christian Thiess